Lockdown light im Frankenjura: Hotspots in der Natur sind vermeidbar

Sven König (redaktioneller Kommentar) - 11.11.20

Schutz vor Infektionen hat in Zeiten steigender Corona-Zahlen eine sehr hohe Priorität. Ansteckungen vermeiden heißt aber nicht Selbstkasteiung ohne Effekt, sondern Kontakte im rechtlich verfügten Rahmen zu reduzieren. Außerhalb dieser Beschränkungen ist es aber ebenso wichtig, Ventile zu nutzen, um körperlich wie psychisch intakt zu bleiben. Dazu gehört, dass man regelmäßig an die frische Luft geht und auch, dass man die eigenen, bewährten Strategien zur Stressbewältigung und Erhaltung der körperlichen Leistungsfähigkeit weiter verfolgt.

Winterklettern an einem Fränkischen FelsenWinterklettern an einem Fränkischen Felsen

Das kann eine Zwanzig-Kilometer-Wanderung auf das Walberla, eine Biketour auf dem 1000-Meter-Höhenweg, oder auch ein Ausflug zu Felsen in der näheren Umgebung sein, um dort zu klettern oder zu bouldern und dadurch als Ventil gegen den Novemberblues wirken.

Wenn aber viele Menschen gleichzeitig in Ihrer – erlaubten - Kleingruppe an die gleichen beliebten Flecken drängen und dadurch Abstände von anderthalb Metern nicht mehr gewahrt werden, dann entstehen an Parkplätzen, Aussichtspunkten oder Kletterfelsen möglicherweise Hotspots. Das kann nicht nur epidemiologische Folgen haben, sondern auch gesellschaftliche. Private Kontrolleure verbreiten illegal - weil den Schutz von Persönlichkeitsrechten missachtend - denunziantische Fotos in (sozialen) Medien. Oder der Staat greift ein, dann können Vergehen nach polizeilicher Kontrolle mit empfindlichen Bußgeldern belegt werden, aber auch - als letztes Mittel - bestimmte Plätze behördlich gesperrt werden. Diese Szenarien sind keine Mutmaßung, sondern waren beim ersten Lockdown im vergangenen Frühjahr Realität.

Eine Überfüllungssituation in der Natur muss von der vor Ort entstandenen Gruppe selbst erkannt werden, denn Lautsprecheransagen wie im Baumarkt gibt es dort keine. So obliegt es der „Peergroup“, überlegt zu agieren. Nämlich Abstände einzuhalten und gegebenenfalls einen Mund-Nasenschutz zu tragen. Falls diese Mittel nicht ausreichen, muss auch die Überlegung eine Option sein, im Rahmen eines Selbstverzichts einen Platz zu verlassen. Gemeinnütziges Handeln an Hotspots muss keineswegs stillschweigend geschehen, sondern es kann in freundlicher Kommunikation ein Problembewusstsein bei allen geschaffen werden, um dann gemeinsam eine Lösung zu finden.

Die Grundlage für ein solches Verhalten könnte unabhängig von Gesetzen der Verstand sein. Der kann nicht wollen, für einige Klettermeter oder Panoramablicke die behördliche Sperrung eines schönen Platzes heraufzubeschwören. In Zeiten des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 haben Absprachen nach einer ersten Findungsphase gut funktioniert. Uns erreichten zahlreiche Beispiele wie dieses: „Ich war vor ein paar Tagen mit Frau am Sprungstein. Eine Stunde später kam eine andere Seilschaft und wir besprachen, dass wir in drei Stunden Schichtwechsel am Fels machen. Alles ganz entspannt und verständnisvoll.“

In Sachen Abständen gilt es, folgende Vorschrift der aktuell geltenden „Achten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung“ zu beachten: „Wo immer möglich, ist ein Mindestabstand zwischen zwei Personen von 1,5 m einzuhalten. Wo die Einhaltung des Mindestabstands im öffentlichen Raum nicht möglich ist, soll eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden.“

Durch die Schließung von Freizeiteinrichtungen wie Gasthäuser, Fitnessstudios oder Boulderhallen wird das Draußensein für viele zu einem sehr wichtigen, vielleicht zum einzigen Ausgleichsventil, denn Zugang zur freien Natur ist auch in Zeiten des Lockdown light für Besucher aus der näheren Umgebung derzeit nicht eingeschränkt. Deshalb ist es nicht ausgeschlossen, dass in diesem November im Frankenjura mehr Besucher als in den Vorjahren unterwegs sein werden. Mit etwas Weitblick und Gruppendisziplin ist es dennoch möglich, auch an beliebten Plätzen das freie Betretungsrecht der Natur zu bewahren.




Kommentare

Rentner am 13.11.20

@ Rocko:
Es betrifft wohl ausschließlich den Indoorsport - derzeit. Deine Schlussfolgerung teile ich.

Wenn Gerichte „aus der Hüfte geschossene“ Verordnungen kippen – und das mehrfach – dann ist das ein Hinweis, dass demokratische Prozesse noch funktionieren – andererseits zeichnen die Ereignisse ein vielsagendes Bild unserer politischen Entscheidungsträger in punkto Demokratieverständnis und Wertschätzung gegenüber dem „Souverän“.

Rocko am 13.11.20

Heute morgen am Freitag den 13. hat unser Ministerpräsident verkündet, dass Individualsport nun auch verboten sei. Der Grund: gestern hat ein Fitnessstudio erfolgreich eingeklagt, dass die Schließung nicht verhältnismäßig sei, wenn andere sportliche Betätigung weiterhin erlaubt ist. Nach Meinung unseres Landesvaters ist die Verhältnismäßigkeit nun wieder gegeben. Ob das auf Dauer haltbar ist, wird man sehen. Dass solche Aussagen die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen insgesamt nicht fördern, ist aber sicher!

Rentner am 12.11.20

Das ist wohl der Status Quo, auf den Punkt gebracht. Ansonsten lässt mich der Artikel etwas ratlos zurück – ist die Botschaft: Haltet Euch an die Verordnungen, damit man Euch auch künftig noch in die Natur lässt? Oder: Die ausgegebenen Regeln sind sinnvoll und notwendig? Oder beides?

Meine Meinung dazu: Ja, es bestehen bestimmte Abstandsregeln, deren Sinnhaftigkeit auf der Hand liegt. Und nein, es ist sicher nicht sinnvoll, sich mit 20 bis 30 Personen an der Wand zu tummeln.

Andererseits drängen sich in den Großstädten die Leute in den öffentlichen Verkehrsmitteln dicht an dicht, beim Einkauf – häufig – knapp auf Sicherheitsabstand, häufig auch darunter. Man muss schon sehr optimistisch sein, zu glauben, eine durchweichte Maske böte dabei ausreichenden Schutz.

Das scheint aber alles kein Problem zu sein, zumindest wird es kaum thematisiert. Thematisiert wird hingegen, wenn Leute 100 Kilometer zum Klettern fahren – wo liegt das Problem im Sinne des Seuchenschutzes? Wenn sie in ihren Ballungsgebieten in die „Natur“ gehen, ist dort aufgrund der hohen Besucherdichte das Ansteckungsrisiko sicherlich deutlich höher als an einem verlassenen Steinbrocken in der Oberpfalz.

Wenn ich mir die Kommunikation der Regierung in den letzten Tagen, Wochen und Monaten vergegenwärtige, dann zieht sich wie ein roter Faden durch, dass ich weder eine Strategie noch Planungssicherheit mit einer Halbwertzeit > 1 Tag erkenne. Da es sich bei vielen der aktuellen Maßnahmen um erhebliche Einschränkungen der Grundrechte handelt, wäre es aus meiner Sicht schon mal einen Gedanken wert, auch deren Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit zu hinterfragen – wurde mir jedenfalls mal so in der Schule beigebracht.

Ich teile auch den Optimismus nicht, dass wir nur etwas längeren Atem brauchen, dann kommt der Impfstoff und dann ist Friede, Freude, Eierkuchen. Dass das Virus in der kalten Jahreszeit seine Wirkung erneut entfacht, war zu erwarten. Ebenso ist zu erwarten, dass es mutieren und auch, dass es nicht das letzte sein wird.

Was kommt dann – Ausnahmezustand als Regel? Klettern am Fels war und ist für mich der Inbegriff der Freiheit – die aktuelle Situation hat das Paradoxon entstehen lassen, verordnete Freiheitseinschränkungen – auch, jene, die keiner Prüfung standhalten - hinzunehmen, um den Worst Case des vollständigen Freiheitsentzugs (im Sinn von „nicht mehr klettern gehen können“) zu verhindern.

Vielleicht ist es ja das, was der Artikel zwischen den Zeilen aussagt….

Nordl1cht am 11.11.20

Da kann man nur das Beste hoffen. Gerade am letzten Wochenende sah es ja leider nicht danach aus. Es kann nicht sein, dass 20 bis 30 Leute, sich auf engem Raum befinden. Sagt man was, ist man der Buhmann. Klar ist es im Moment schwer aber für alle!! #stayhealthy

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