Story
Hallenfuzzis und alte Hasen
Ungewöhnliche Typen bevölkern dieses Jahr die Fränkische Schweiz. Wie etwa neulich am Dreistaffelfels: Drei finstere Gestalten in Armeeklamotten, buschige schwarze Bärte, pralle Muckis. Die erste Route, eine 5+, bewältigten sie mit Gezappel und Geschrei. Die zweite Tour, einen schlecht gesicherten Sechser, bauten sie ab – Gottseidank waren sie so vernünftig, ihre Grenzen zu kennen. Damit war der Klettertag für diese Truppe zu Ende; sie setzten sich auf den Waldboden und rauchten aus der Shisha-Pfeife.
Massen von Felsnovizen überfluteten diesen Sommer die gut gesicherten und leichten Routen an der Förstelsteinkette. Die Folge: Eine Sperrung.
Viele alte Hasen sind sauer, sie sagen, diese Ausgeburten der Hölle - äh Halle – parken alles zu, hinterlassen Müll, campieren wild, sehen die Natur als Eventpark. Und wissen nicht mal, wer Wolfgang Güllich war.
Die haben eine andere Kultur als wir. Es sind zu viele. Die gehören nicht hierher.
Erinnert das an etwas?
Es sind dieselben Vorwürfe wie gegen Einwanderer aus anderen Ländern.
Vielleicht sollte man sich an eine ähnliche Situation zu Beginn der 80er Jahre erinnern: Damals waren die „Trachtler“, die mit den rotweißkarierten Hemden, die sich an Haken hochzogen, sauer auf die „Freeclimber“ in weißen Malerhosen, die den Fels mit Magnesia markierten. Diese Typen der neuen Generation überrannten dann das kleine Tal von Buoux, hinterließen überall ihre Häufchen und standen beim Sichern auf der Straße, so dass die Einheimischen kaum noch mit dem Auto zu ihren Häusern gelangten. Auch damals folgte eine Sperrung.
Die „Freeclimber“, die das Rotpunktklettern als neue Ethik am Fels erfunden hatten, haben sich nicht immer tadellos benommen. Von den 80er Jahren bis heute hat die Fels-Community dazugelernt. Aber das können die in der Halle Sozialisierten auch. Wenn wir ihnen zum Beispiel sagen, was passiert beim rücksichtslosen Parken. Dass man Seile nicht einfach hängenlässt, wenn ein Fels stark besucht wird, und dass es stört, wenn man direkt auf dem Zustiegsweg über Kaffeekannen, Picknickdecken und Kleinkinder stolpert.
Obwohl oft kritisiert wird, dass die Neuen Müll zurücklassen, habe ich nur saubere Wandfüße gesehen. Was daran liegen mag, dass die IG Klettern oder andere naturbewusste Kletterer den Mist wieder weggeräumt haben.
Zuletzt noch ein - für mich – positives Beispiel zu einer Begegnung mit Neulingen am Fels.
Am Bandstein sah der Wandfuß so aus, als hätte dort eine mindestens sechsköpfige Gruppe wahllos ihr Material verstreut. Wo waren die bloß alle? Kurz darauf seilte ein Pärchen ab und räumte das Chaos am Einstieg weg. Sie erzählten, sie hätten vier Stunden in ihrer Route zugebracht, wären aber in der zweiten Seillänge gescheitert, obwohl sie versucht hätten, Klemmkeile zu legen. Dabei strahlten sie vor Freude über dieses großartige Abenteuer.
Ich habe sie ein wenig um dieses Gefühl beneidet und mich an meine Anfangszeit erinnert.
Das einzige, was mich an den Neuen aus der Halle doch stört: es sind so verdammt viele, die Felsen sind voller geworden.
Aber geh mal zu jemandem hin und sage: du störst, weil du viele bist! Dasselbe könnte er zu dir sagen.
Der Fels gehört nicht uns, den alten Häsinnen und Hasen, sondern allen.
Kommentare
Rentner am 19.08.20
Ein wichtiges Thema gut aufbereitet, wie ich finde. Die Unterteilung der Kletterer in Kategorien wird uns an der Stelle kaum weiter bringen – wie Irmgard beschreibt, sind die individuellen Verhaltensweisen auch in vermeintlichen Peer Groups ganz unterschiedlich.
In den vergangenen Jahren ist die Frequentierung der Kletterfelsen exorbitant angewachsen. Sicher ist das durch den Hallenboom begünstigt worden. Der Massenansturm bringt es leider mit sich, dass auch die absolute Zahl von „Naturfreunden“ wächst, deren Verhalten eben nicht auf eine nachhaltige Nutzung im Einklang mit ihrer Umwelt ausgelegt ist.
Das allein auf die „Hallenkletterer“ oder auch schlicht „die Neuen“ zurückzuführen oder mit „kulturellen Eigenarten“ zu begründen, ist undifferenziert, damit ungerecht und verstellt den Blick darauf, dass es sich schlicht um asoziales Verhalten handelt.
Das Zuparken von Feldwegen, lautes Krakeelen, Musikdarbietungen aller Art, tageweise Belegen aller Routen eines Massivs, hinterlassen von Müll/Unrat – kurz „die Natur als Spot für die Event- und Partyszene“ - wird zu weiteren Sperrungen führen und den Freizeitwert für alle anderen gegen 0 fahren. Leider fällt mir auch keine bessere Lösung ein, als die betreffenden Kollegen immer wieder freundlich darauf anzusprechen, welche Konsequenzen ihr Verhalten nach sich zieht – Ausgang ungewiss, da das Überschreiten einer „kritischen Masse“ eher zu Beratungsresistenzen führt.
Wer der Ansicht ist, die „Klettercommunity“ – wenn es sowas überhaupt gibt – müsse nur mal den Grundbesitzern zeigen, wo es lang geht, kann ja schon mal damit anfangen, konsequent an den gesperrten Massiven zu klettern – viel Spaß dabei.
Sicher gibt es auch Parallelen zu den späten 70er/frühen 80er Jahren – genauso wie damals große Teile der Sportkletterszene nicht die Straße vor den Confines besetzt hielten oder mit dem Auto zum Bruchweiler Geierstein gefahren sind, verhält sich nicht per se wie die Axt im Walde, wer in der Halle sozialisiert wurde.
Ein Unterschied zu damals: Vor 40 Jahren wurde – unterstützt durch neue Techniken, verbessertes Training, Einsatz neuer Materialien – die Grenze des im Klettern vermeintlich Machbaren deutlich verschoben und der Grundstein für eine Entwicklung gelegt, die zu dem heutigen Leistungsniveau führte. Aktuell erörtern wir die Frage, 5er und 6er Routen im Klettersteigformat auszurüsten, um jegliches Verletzungsrisiko auszuschließen (was sich bereits in der Halle als frommer Wunsch erweist).
Und noch etwas hat mich zum Schmunzeln gebracht: Vor ca. 4 Monaten haben wir an dieser Stelle darüber gesprochen, wie man sich als Kletterer in Covid-19 Zeiten verhält und die vorherrschende Meinung ging von „Zuhause bleiben“ über „Social Distancing“ bis zu „Felsen meiden, an denen schon mehr als eine Seilschaft klettert“. Zu dem Zeitpunkt war die Frequentierung der Felsen ungleich geringer, auch wenn Sport an frischer Luft ausdrücklich erlaubt war (; was durch offizielle Stellen in Teilen konterkariert wurde).
Was hat sich in der dazwischen liegenden Zeit geändert – außer der Rücknahme des Lockdown? Imho ziemlich wenig – es gibt nach wie vor das Ansteckungsrisiko, keinen Impfstoff, kein wirksames Medikament. Da stellt sich doch die Frage: Was leitet uns? Einsicht, Selbstverantwortung, Obrigkeitsdenken, Verordnungen oder die gerade durchs Dorf getriebene Sau… ?
dschisers am 19.08.20
nun ich war heute wieder mal an der leupoldsteiner.
früh standen dort 3 camper. es gibt dort ein schild, das das campen an dieser stelle untersagt.
ich verstehe die anwohner und die grundbesitzer, wenn sie alle hebel in bewegung setzen, um das klettern an wänden wie dieser zu verbieten.
die, die hier wild gecampt haben stört das natürlich nicht. man zieht dann halt in ein anderes klettergebiet weiter...
in frankreich hättenn ortsansässige kletterer das problem selbst in die hände genommen und in der schweiz wäre das ganze bei der gendarmerie gelandet.
ich denke wir haben in der fränkischen genug möglichkeiten zu übernachten.
wenn man das thema anspricht wird man nur ignoriert.
hier verstehe ich schon einen gewissen ärger über "fremde". das hab ich auch mal zu nem kletterfreund gesagt, dem man in frankreich, wo er wild in den olivenplantagen gezeltet hat, das auto ausgeräumt hat, somit war er gezwungen heim zu fahren.
philipp_schleC am 19.08.20
guter Kommentar zu der aktuellen Lage. Ich hab generell auch nichts gegen viele Leute am Fels, wenns mir zu voll ist bin ich eben zu spät und schau halt weiter. Was mich jedoch sehr stört sind Kletterer die mit dreckigen Schuhen in Touren einsteigen und Griffe nicht putzen nachdem sie fertig sind mit klettern. Ich weiße die Personen dann auch immer daraufhin das dadurch der Kalk enorm leitet und poliert wird. Die meisten verstehens und nehmen die Tips z.B vom Seilsack zu starten oder einen kleinen Teppich mitzunehmen auch an. Aber ich stell mir die Frage ob man dass nicht in den Hallen lernt? Hier sollte meiner Meinung bei Kursen viel mehr Wert darauf gelegt werden diese Verhaltensregeln zu lehren. Generell find ich es, wie im Kommentar bereits erwähnt, sehr wichtig, dass die "alten Hasen" die Junge Generation und die "Hallenfuzzis" auf solche Missstände aufmerksam macht. Dann haben wir auch in Zukunft keine Probleme mit Sperrungen und die Felsqualität leidet auch nicht zu stark.
P.S: komplett sandige Schuhe habe ich bereits im 5er bis hin zum 10er gesehn
sonnige Grüße
Phil
oberfrankensocke am 19.08.20
Mal abgesehen davon, dass mich das IG-Bashing von Slobodan und Co. nur noch amüsiert, ein netter Artikel, der Probleme auf den Punkt bringt nur leider eine falsche Einschätzung der Lage beinhaltet: "Der Fels gehört nicht uns, den alten Häsinnen und Hasen, sondern allen" . Alle Felsen stehen, wenn man es genau nimmt, auf Privatgrund, auch die im Staatsforst und auf Gemeindegrund. Und dort haben, wenn es eng wird nicht wir Kletterer zu entscheiden, was passiert. Siehe Frankenwohnanlage, Hartensteiner Wand, Förstelsteinkette, welcher Felsen wird wohl der nächste sein?
UweH am 19.08.20
Freue mich sehr über diesen Artikel. Das Thema muss wahrscheinlich noch viel öfter angesprochen/diskutiert werden, damit wir Kletterer einfach noch etwas achtsamer werden.
Siehe auch Kommentar Erinnerungswand https://www.frankenjura.com/klettern/poi/1464
Liebe Grüße
Uwe
Stefan am 18.08.20
Schön geschrieben, könnte vielleicht dazu anregen, seine eigene Haltung und Gedanken mal kritisch zu reflektieren... :-)
Slobodan am 18.08.20 (bearbeitet am 19.08.20)
Super! Endlich jemand, der modern denkt. Es ist schön, wenn es bunter wird an den Felsen. Die Natur ist für alle da, ohne willkürliche Einschränkung. Bei 861 Felsen mit13240 Routen im nördlichen Frankenjura dürfte das kein Problem sein. Eine reformierte Vernagelung ist notwendig, um eine gleichmäßige Verteilung zu ermöglichen. Die selbsternannte Elite steht dieser Reformierung in Form der Betonfraktion gegenüber. Diese kristallisiert sich in erster Linie in der IG Klettern. Diese versucht das Klettern im Interesse der Jäger und Großgrundbesitzer zu kanalisieren. Es wird Zeit, das Klettern demokratischer zu organisieren. Hierzu ist jedoch das Engagement eines Teils der Kletterbasis notwendig. Ich denke, die IG Klettern ist für eine zeitgenössische Reform unfähig.
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Aufgrund der höheren Frequentierung häufen sich mit der Zeit natürlich auch die sanierungsbedürftigen Umlenker und Haken - um auch das andere Thema mit rein zu nehmen. Zudem könnten manche Felsen speckbedingt unkletterbar werden, und das ist nicht mehr rückgängig zu machen.
Ich muss persönlich auch ehrlich sagen, dass ich doch gerne meine Ruhe am Fels hab. Mag die Ruhe in der Natur und mal runter kommen.
Da hab ich aber den Vorteil dass ich an Felsen gehen kann die nicht so frequentiert sind.
Und es is wie überall. Wenn einer irgendwo sein Geschäft verrichtet stört das keinen. Sobald das dann 10 oder 100 machen ist das schon anders.
Und deppen gibt's überall ;) nur je mehr Leute desto mehr deppen.
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