Vier Schlaglichter auf die Stimmung des fränkischen Klettersports

Frankenjura.com - 09.04.20

Frankenjura.com hat vier Kletterer um die Schilderung Ihrer Stimmungslage im Schatten der bayernweiten Ausgangsbeschränkung gebeten. Herausgekommen sind vier Schlaglichter, die für Verständnis werben und zugleich ein breites Spektrum an Positionen zum Klettersport in Zeiten von Corona abbilden. Eine Anonyme, ein gebürtiger Sachse, ein Intensivkrankenpfleger und eine Sozialpädagogin kommen zu Wort.

Nicht immer im Vorstieg: Klettern im Frankenjura im Krisenmodus (Archivbild aus der Zeit vor der Coronakrise)Nicht immer im Vorstieg: Klettern im Frankenjura im Krisenmodus (Archivbild aus der Zeit vor der Coronakrise)

Eine Kletterin, die anonym bleiben will: Stay at home!

Alltag in Franken? Werktags abends: Zeit für eine Runde Feierabendklettern, Spulen an der Schönen Aussicht? Normalerweise trifft man da niemand, vielleicht mal ein paar Einheimische, die unter der Woche noch „mal schnell“ eine paar Routen klettern. Aber die Zeiten haben sich geändert.

Gestern hatte ich beim Vorbeifahren schon fünf Autos am Parkplatz des Felsens gesichtet. Dann überwiegt die Neugierde, man schaut doch mal kurz zum Fels, ob man ein paar bekannte Gesichter trifft. Beim Näherkommen sieht man bereits die Autoschilder. Komisch, kein einziges „FO“ oder „BT“.

Die Neugierde wird noch größer, man nähert sich dem Fels. Unten auf der Wiese sieht man bereits sechs oder sieben Kinder umhertollen. Am Felsen selbst befinden sich dann in „urgemütlicher“ Runde, fast jede Tour verkabelt, so um die zehn Personen: Zwei Pärchen, eine Familie, ein Männertrupp um die sechzig. Das eine Pärchen erzählt, um die Mittagszeit sei noch mehr los gewesen. Ein weiteres Pärchen sei sofort wieder gegangen und habe zuvor mit Polizei gedroht. Im Anschluss sei die Stimmung am Fels wohl nicht mehr die Beste gewesen.

Liebe „Menschen“, falls man euch so noch bezeichnen kann, was soll dieses Ausmaß an unsolidarischem, intolerantem und auch unvorbildhaftem Verhalten auch gegenüber euren eigenen Kindern? Bitte stay at home! Denkt an die Infektionsgefahr, wenn ihr euch auf engstem Raum an einem Wandfuß drängt. Denkt an die Bergwacht, die bei einem Unfall schlimmstenfalls ausfällt durch Quarantäne, falls einer von euch infiziert einen Unfall hat. Denkt an alle, die gerade sterben an diesem Virus auf der Welt.

Wir klettern alle gern und das Wetter wird gut die nächsten Tage und würde viele anlocken. Aber denkt daran, draußen zu übernachten ist verboten, Gruppenansammlungen sind verboten, gefährliche Sportarten sind nicht auszuführen. Also bitte haltet durch die nächsten Wochen und stay at home!

Die beschriebene Situation ereignete sich bereits vor einer guten Woche, kurz nach dem Inkrafttreten der Ausgangsbeschränkung in Bayern.

Alexander Marg, gebürtiger Brandenburger und seit vielen Jahren Wahlfranke: Es geht um die Einschränkung unserer Grundrechte!

Zunehmend stimmen mich die Meinungen und Reaktionen in den sozialen Medien bedenklich. Kritische Meinungen gegen die Ausgangsbeschränkungen werden teilweise aggressiv und mit persönlichen Angriffen „niedergebrüllt“, auch wenn sie sachlich durchaus richtig sind.

Auch sehe ich bestimmte Aktionen der Exekutive kritisch: Ein Beispiel? Es wurde jemand beim Spaziergang mit seiner Familie, keine fünf Minuten von seiner Wohnung in Erlangen entfernt, von einer Polizeistreife darauf hingewiesen, dass „das Verweilen an einem Ort, respektive ein stationärer Aufenthalt, nicht erlaubt ist.“

Weitreichende Ausgangssperren werden akzeptiert, auch wenn der Sinn – die Einhaltung der „Social Distance“ und auch Bindung von Rettungskräften - zumindest teilweise in Frage zu stellen ist. Im DAV-Unfallbericht für 2018 heißt es: „Im Berichtszeitraum sind insgesamt 1178 Alpenvereinsmitglieder von Unfällen und Notfällen betroffen gewesen.“ Und das war in normalen Zeiten.

Es geht hier um die Einschränkung unserer Grundrechte, nicht mehr und nicht weniger. Deshalb muss nach Ostern die Normalität wieder Einzug halten. Einige Beispiele, wie Südkorea, zeigen, dass man die Ausbrüche unter Kontrolle zu bringen und die Verbreitung stoppen kann. Das ging durch konsequente Isolierung von Infizierten und durch Testen, Testen, Testen – und zwar in der gesamten Bevölkerung. Wichtig wird es bleiben, die besonders gefährdeten Personengruppen weitgehend weiter zu isolieren. Aus den Fehlern muss gelernt werden, zum Beispiel das viel zu späte Isolieren von Personen die aus den Risikogebieten kamen. Hoffen wir, dass die Politik ihre Konsequenzen zieht und möglichst nicht mehr mit dem zeitweise Aussetzen von Bürgerrechten reagieren muss. Die Chance sich auf solche „Krisen“ vorzubereiten, hätte sie zumindest in Deutschland schon im Jahr 2013 gehabt.

In Österreich, vor allem in Tirol ist die Situation ähnlich. Weitreichende Ausgangssperren sollen über die Versäumnisse der Politik hinwegtäuschen, ich sage nur Ischgl. Aktionismus ist angesagt. Bleibt gesund und bedenkt auch die Auswirkungen eures Tun auf Andere.

Alexander Marg ist Betreiber des Online-Magazins Kletterblock.de, auf dieser Seite ist dieser Kommentar bereits als Artikel erschienen.

Andreas Schelter, Intensivkrankenpfleger und Clean-Kletterer: Verletzungsrisiken vermeiden und das Ansteckungsrisiko gering halten!

Bitte befolgt die Anweisung, nur mit Menschen gemeinsam Sport zu machen, mit denen ihr in Gemeinschaft wohnt. Das ist ein Beitrag, um die Ausbreitung etwas abzubremsen.

Wenn ihr eure Freizeit gestaltet, so achtet bitte auch darauf, dass dies ein möglichst geringes Unfallrisiko beinhaltet. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich nicht unbedingt der Null-Risiko-Kletterer bin. Trotzdem bitte ich euch, wenn ihr unter oben genannter Bedingung unterwegs seid, Risiken zu vermeiden. Nicht nur, weil ihr ohne zu wissen, Helfer anstecken könnt.

Das Gesundheitswesen in Deutschland wurde in den letzten Tagen wegen des Coronavirus stark umgestaltet. Auch in Deutschland werden viele Infizierte auf die Intensivstationen einströmen. Die Krankenhäuser haben ihren Teil geleistet und geplante Eingriffe auf Null zurückgefahren. Wir selbst sollten unseren Beitrag leisten, indem wir Risiken jeglicher Art wie Klettern, Biken oder Motorradfahren verantwortungsvoll abwägen.

Jeder Freizeitunfall, der jetzt unnötigerweise auf eine Intensivstation führt, ist einer zu viel. Unser Gesundheitsminister spricht immer von ausreichend vielen Intensivbetten in den deutschen Kliniken. Aber erstens gibt es in Deutschland einen Pflegenotstand, der in den letzten Jahren dazu geführt hat, dass nicht alle Betten geöffnet waren. Zweitens wird auch diese Zahl, wenn es eng wird, nicht annähernd reichen. Eine Situation wie in Italien sollte um jeden Preis vermieden werden.

Der Preis, den wir als Kletterer leisten können, ist es aktuell diverse Projekte auszusetzen. Lasst uns gemeinsam Verletzungsrisiken vermeiden und das Ansteckungsrisiko gering halten, damit wir in Zukunft noch viele tolle gemeinsame Klettererlebnisse haben werden!

Vera, Sozialpädagogin und Kletterin: Selbstbestimmt, verantwortungsbewusst und frei bleiben!

Ich wurde gebeten Stellung zu beziehen, was mich als Kletterin in Bezug auf die Ausgangsbeschränkung bewegt. Nun ist es schwierig nur als Kletterin zu antworten, denn natürlich hat die aktuelle Situation eine gesamtgesellschaftlich sehr weitreichende und komplexe Dimension.

Prinzipiell finde ich es wichtig in einer Gesellschaft solidarisch zu handeln und eigene Wünsche nicht über das Gemeinwohl zu stellen. Was das Gemeinwohl ist, dafür gibt es aber keine Schwarz-Weiß-Vorlage. Ich persönlich finde es aktuell richtig Risikogruppen zu schützen und die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Die Schließung der Schulen und die Absage von Großveranstaltungen und Freizeitbeschäftigungen in geschlossenen Räumen (z.B. Boulderhallen) fand ich sehr sinnvoll. Auch diese bedeuten für mich als Mutter und Mensch persönliche Einschränkungen, aber aufgrund der Informationen über die Pandemie konnte ich deren Sinn nachvollziehen. Dasselbe gilt für die Aufforderung Abstand zu halten.

Seit in Bayern die Ausgangsbeschränkungen ausgesprochen wurden habe ich allerdings den Eindruck, dass das vernünftige Maß verloren ging und für die Illusion, man könne die Menschen absolut vor dem Virus schützen, unverhältnismäßige Einschränkungen anderer wichtiger Bedürfnisse in Kauf genommen werden. Vor einigen Wochen gab es sehr hohe Hürden um Menschen (z.B. bei schwerer psychischer Erkrankung) die Mündigkeit für sich selbst Entscheidungen zu treffen abzusprechen oder sie zu isolieren. Dies gilt nun nicht mehr. Viele Regelungen und Empfehlungen werden auf der Grundlage ausgesprochen, dass die Menschen unvernünftig handeln und deshalb bereits im Vorfeld einer eigenen Entscheidung begrenzt und kontrolliert werden sollen. Dies ist für mich ein untragbares Menschenbild in einer Demokratie.

Als Kletterin übe ich eine Sportart aus, die per se mit einem hohen Maß an Eigenverantwortung und Risikoabwägung einhergeht. Es galt schon immer der Vorsatz unfallfrei zu klettern, die Situation und die eigene Verfassung einzuschätzen und weder sich noch andere unnötig zu gefährden.

Ein Fels ist keine überfüllte Innenstadt. Es ist möglich, Abstand zu halten. Und verantwortungsbewusste Menschen wechseln auch den Fels, wenn es zu voll ist oder sprechen sich mit anderen kompromissbereit ab. (Das galt auch ohne Pandemie.) Nach allem, was ich beim RKI gelesen habe, wird sich wohl niemand durch Berührung des Felsens oder Materials anstecken. Eine Überlastung des Gesundheitssystems ist bei der überschaubaren Anzahl an Rettungseinsätzen in dieser Randsportart ebenso unwahrscheinlich.

Klettern als Sport in der freien Natur stärkt das Immunsystem und die Psyche. Auch dies sind wichtige Kriterien während einer Pandemie.

Ich würde mir wünschen, dass man die Haltung derer, die in der aktuellen Situation nicht klettern wollen, ebenso akzeptiert wie die Haltung derer, die weiter am Fels klettern wollen. Für beides gibt es sinnvolle Gründe. Ich finde es unverzichtbar, dass wir auch während einer Pandemie selbstbestimmte, verantwortungsbewusste und freie Menschen bleiben, so wie es in unserem Grundgesetz verankert ist.




Kommentare

gucki am 12.04.20

Liebe Leute,
bitte vergesst nicht demokratische Prinzipien. Ein Satz wie dieser im obigen Text:
"Liebe „Menschen“, falls man euch so noch bezeichnen kann, ... " ist menschenverachtend. Das ist keine Meinung und hat mit Meinungsfreiheit nichts zu tun. Egal aus welcher Richtung, Menschen zu entmenschlichen ist einer der verwerflichsten sprachlichen Übergriffe, die man begehen kann und ein Einfallstor für konkrete Gewaltakte, auch wenn das die schreibende Person noch nicht mal erahnt.

Und abgesehen davon gibt es sehr gut begründete Kritik an den Maßnahmen, dem Kontaktverbot sowie an der Darstellung dieser Pandemie im Allgemeinen. Man muss sich nicht davon überzeugen lassen, aber diesen Darstellungen zuhören, auch sie gehören zu einem demokratischen Diskurs. Kein Mensch auf der Welt kann beurteilen, ob das Verhalten der Menschen, denen das menschsein abgesprochen werden sollte, überhaupt unsolidarisch ist.
Also: Vorsicht beim Schreiben, Veröffentlichen und Lesen!

Rentner am 09.04.20

Ganz großes Kompliment an die Betreiber der Frankenjura.com für die ausgewogene und informative Berichterstattung während der Corona-Pandemie. Die jetzt veröffentlichten Schlaglichter sind da ein weiterer Baustein. Vieles davon aus meiner Sicht plausibel und nachvollziehbar, den Beitrag von Vera könnte ich ohne "Wenn" und "Aber" unterschreiben.

Klettern wird – hoffentlich – immer selbstbestimmt, eigenverantwortlich und damit eine Ausprägung persönlicher Freiheit bleiben. Das war vor 44 Jahren einer meiner Gründe, damit anzufangen und macht für mich einen wesentlichen Teil seiner Faszination aus. Dazu gehört auch immer die Abwägung von Risiken und Rahmenbedingungen; letztere sind durch Corona eben entsprechend verändert. Genauso, wie der Einstieg in eine alpine 1000-Meter-Wand die Berücksichtigung ganz anderer Faktoren verlangt als eine Frankenjuraroute, setze ich jetzt beim Klettern andere Prioritäten. Das beinhaltet zum Beispiel, Felsen, die bereits frequentiert sind, zu meiden oder im Zweifelsfall vielleicht einmal mehr den Clipstick zu benutzen.

Schwierigkeiten habe ich mit der Verordnung einer allgemeingültigen Definition von Gemeinwohl, ohne den Widerspruch vorzusehen, hier die Guten, dort die Bösen. Das löst bei mir alle Alarmglocken aus, weil es einen sachlichen Diskurs verhindert und auf eine Meinungsdiktatur hinaus läuft.

Es gibt noch einen gerade im fränkischen Felsenland großen Korridor zwischen Menschenansammlungen und „zuhause bleiben“. An der Schönen Aussicht, dem Weißenstein oder in Stierberg wird er schwer zu finden sein. Wer nicht in der Lage ist, ihn zu identifizieren, sollte vielleicht wirklich abwarten, bis die Pandemie gebändigt ist – das kann sich noch lange hinziehen.

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